Die Leiche ist halb durch by Bergmann Peter
Autor:Bergmann, Peter [Bergmann, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimiparodie
veröffentlicht: 2014-12-29T23:00:00+00:00
Warnschuss
Im kleinen Vorraum meines Zimmers empfängt mich halblautes Schnarchen. Tantchen hat keinen Besuch erwähnt, schon gar keinen schlafenden. Ich stoße die Tür auf. Der Raum ist leer, das heißt beinahe leer. Auf dem Boden liegt mit seitlich weggestreckten Pfoten Heinrich VIII. Er schnarcht mit weit geöffnetem Maul. Auf dem Schreibtisch hat sich eine große, braune, duftende Lache ausgebreitet, ein dünnes Rinnsal tropft über die Kante. Die Reste einer Flasche liegen in der Flüssigkeit verstreut. Es riecht durchdringend nach gutem Schnaps und ich beginne zu begreifen. Der Fellbeutel schnarcht, weil er stockbesoffen ist und seinen Rausch ausschläft. Für einen Augenblick packt mich das schlechte Gewissen. Vielleicht sucht Heinrich Trost im Alkohol, weil ich mich zu wenig um ihn kümmere. Nur: Wie hat er es geschafft, die Flasche zu zerschlagen? Bloßes Umkippen hinterlässt nicht so ein Scherbenfeld. Dann sehe ich das fingerdicke Loch im Rückenteil meines Polsterstuhls, der hinter dem Tisch steht. Ich drehe ihn und finde ein zweites Loch auf der anderen Seite. Knapp über der Bodenleiste ist die Wand beschädigt. Ein verformtes Metallstück liegt zwischen kleinen Brocken Verputz.
Aus einer heilen Flasche gieße ich mir ein dreifaches Frühstück ein und überlege. Heinrich VIII. ist ein intelligentes Tier. Durchaus möglich, dass er meinen Whisky umwirft und sich betrinkt. Aber er würde niemals mit Gewehren um sich schießen. Nicht in seiner eigenen Wohnung.
Ich folge der Flugbahn des Geschosses durch das Fenster bis auf das Dach des gegenüberliegenden Spiegelhauses. Irgendjemand hat vorgeführt, wie einfach es für ihn ist, einen lästigen Schnüffler auszuschalten. Die Art der Warnung macht nicht den Eindruck, als stammte sie von einem verärgerten Händler, bei dem ich in der Kreide stehe.
Ich stecke die Kugel ein und beseitige die Überreste des Anschlags. Heinrich VIII. lege ich in seinen Korb. Hoffentlich gewöhnt er sich nicht an den Geschmack dieser Preisklasse. Nach einem zweiten Frühstück suche ich die Nummer von Dr. med. Astases Klinik und rufe an. Die Frau am anderen Ende klingt halbwegs freundlich, bis sie begreift, dass ich kein potenzieller Kunde bin, sondern nur ein wissbegieriger Schnüffler. Schlagartig entwickelt sie den Charme einer aufgelassenen Kiesgrube, verweigert jede Auskunft über Saninis Zustand und untersagt mir jeglichen Besuch. Als Sahnehäubchen ersucht sie mich, mir doch bitte die Finger zu brechen, statt herumzutelefonieren und sie von ihrer Arbeit abzuhalten. Ich wünsche ihr einen Urlaub auf der Festtafel eines Kannibalenvereins. Sie legt auf, ohne sich zu bedanken. Das Handy ist noch warm, als Butta anruft.
»Hast du was vor?«, fragt er.
»Habe ich«, erwidere ich lustlos.
»Dann komm ins Präsidium. Ich warte auf dich.«
Er unterbricht die Verbindung. Ein Tag der gelungenen Kommunikation beginnt anders.
Im hässlichsten, kältesten Betonblock der Stadt ist das Polizeipräsidium untergebracht. Normalerweise stehen da die rostigen Kübel der Bullen und ein paar Zuhälterkutschen. Heute ist alles anders. Lack und Glanz rundum. Ich gehe rein.
In den Gängen drängen sich Leute, denen die Umgebung sichtlich nicht behagt. Viele von ihnen leiden an chronisch gerümpften Nasen. Sie sind schlichtweg perplex ob der Tatsache, dass die Polypen es gewagt haben, sie ohne Einladung auf Büttenpapier herzuzitieren. Sieht ganz nach einer Hauptversammlung der Mitglieder des Eden-Clubs aus.
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